Mag.a (FH) Angelika Dusek-Musil, MLS, ist selbstständige Unternehmensberaterin im Bereich der Exportkontrolle. Nach zahlreichen Jahren im internationalen Anlagenbau studierte sie nebenberuflich Europäische Wirtschaft und Unternehmensführung und absolvierte anschließend die Legal Studies an der Donau-Universität Krems. Die Akkreditierte Exportberaterin hat die Exportkontrollbestimmungen USA-EU/Österreich, eine Gegenüberstellung der rechtlichen Bestimmungen, verfasst und publiziert regelmäßig zu Fragen der Exportkontrolle. Auch hält sie laufend Vorträge und Seminare für den Kitzler Verlag sowie Gastvorlesungen an der Fachhochschule des bfi Wien. Wir von prodata freuen uns besonders Frau Dusek-Musil für ein Interview gewonnen zu haben.
Frau Dusek-Musil, wie sind Sie in den Bereich der Exportkontrolle gekommen?
In meiner Zeit bei Mannesmann Anlagenbau und später bei Siemens hatte ich bereits mit rechtlichen Angelegenheiten und Exportkontrolle zu tun. Als ich bei Siemens die kaufmännische Projektleitung für öffentliche Beleuchtungsanlagen übernommen habe, merkten meine Kollegen sehr schnell, dass ich mich auch in der Exportkontrolle sehr gut auskannte und mich dieser Bereich interessierte. So übertrugen sie mir regelmäßig Aufgaben, die damit zusammenhingen. Güter, die uns strategisch schaden könnten, weil sie zum Beispiel unter die Dual-Use Verordnung fallen und somit einen doppelten Verwendungszweck haben, sprich zur militärischen Nutzung missbraucht werden können, dürfen nicht ohne Weiteres über die Grenze gelangen. In der Industrie ist das breit vertreten. Gängige Waren wie Pumpen oder Dichtungen können in die Dual-Use Verordnung fallen. Man muss schauen, was erlaubt ist und was bei der genehmigten Ausfuhr kontrollierter Güter zu beachten ist. In den meisten Unternehmen ist dieses Thema sehr unbeliebt, da es äußerst komplex ist. Ich wollte mir das Wissen aneignen, wie das komplexe Regelwerk „(Re)Exportkontrolle“ zusammenspielt unter Berücksichtigung der US-Regeln, die selbstverständlich seinerzeit bei Siemens bereits flächendeckend umgesetzt wurden.
Wie lange sind Sie bereits als Beraterin in der Exportkontrolle tätig?
Seit 2011. Im Jahr 2010 habe ich meinen Masterstudium abgeschlossen. In meiner Masterthesis verglich ich das europäische mit dem amerikanischen Außenwirtschaftsrecht. Die US-(Re)Exportkontrolle beeinflusst unsere Wirtschaft maßgeblich. Gerade im Anlagenbau kaufen wir oft amerikanische Güter und somit auch die Regeln des amerikanischen Marktes ein. Kaum ein Unternehmen holt sich für die Alltagsprobleme einen amerikanischen Juristen ins Boot. Mein Wunsch war es, unterschiedliche Unternehmen und deren Ansprüche an die (Re)Exportkontrolle kennenzulernen. Und deshalb habe ich mich Anfang 2011 schließlich selbstständig gemacht.
Ist die Konkurrenz groß in Ihrem Sektor?
Ich kenne aktuell keinen Unternehmensberater in Österreich, der Vergleichbares anbietet. Ansonsten gibt es natürlich Juristen, die z.B. einerseits das europäische, andererseits das amerikanische Außenwirtschaftsrecht abbilden. Aber die Kombination Rechts- und Beratungskompetenz in der (Re)Exportkontrolle ist mir nicht bekannt. In großen Wirtschaftsberatungsunternehmen ist sowas vermutlich in der großen Palette von Angeboten enthalten.
Wie ist ein Workshop von Ihnen aufgebaut?
Ich habe selbst sehr viele Ausbildungen, u.a. auch Kurse im US-Recht, absolviert. Daran hat mich gestört, dass die Paragraphen aufgedröselt runtergearbeitet wurden. Das möchte ich nicht anbieten, denn derjenige, der mein Wissen abholen will, ist in der Regel nicht der Jurist, sondern der Zollverantwortliche, ein Mitarbeiter aus dem Einkauf, dem Verkauf, der Logistik, der Auftragsverarbeitung, der Technik oder von der Forschung und Entwicklung. In einem Workshop kann ich am Unternehmen, dessen Abläufen, den Mitarbeitern andocken. Jeder Mitarbeiter, der die Relevanz für seinen je eigenen Aufgabenbereich erkennt, kann zur Lösung – der Compliance des Unternehmens – seinen Teil beitragen.
Bevor ich einen Workshop mache, setze ich mich gerne vorab mit den Problemen und den Anwendungsfällen der Kunden auseinander. Unternehmen sind unterschiedlich organisiert, so dass man nie mit einer Lösung von der Stange kommen kann. Manche Kunden nehmen auch eine Expertise in Anspruch, da sie ein ganz konkretes Problem haben, das sie ausführlich behandeln wollen.
Wer profitiert Ihrer Meinung nach von einer Exportkontrollberatung?
Jede und jeder, der für (Re)Exporte Verantwortung trägt. Angefangen von kleinen Familienunternehmen, die mit einer großartigen Technologie am Markt sind, oder Start-ups mit neuen, superinnovativen Produkten, die später von amerikanischen Unternehmen aufgekauft werden. Die neue Eigentümerin will natürlich ihre amerikanischen Regeln abgebildet haben. Aber auch große Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau. Die Dual-Use Verordnung ist hierbei immer ein großes Thema, oft auch ohne die Fragen konkret zuordnen zu können. Spätestens wenn sie Ausfuhrpapiere schreiben, kommen sie in Berührung mit Ausfuhrbeschränkungen und suchen mich auf.
Was wünschen sich die Kunden im Bezug auf die Dual-Use Güter?
Die meisten Kunden wünschen sich eine elektronische Prüfung der Dual-Use Güter, was ich derzeit nicht sehe. Warum? Dual-Use Güter werden aufgrund ihres auch militärischen Potentials kontrolliert. Neben den spezifischen technischen Parametern (Drücke größer als xy, Genauigkeit besser als xy usw.) oftmals unspezifische Parameter wie „besonders konstruiert für xy“. Die technischen Beschreibungen haben gerade eben nicht die Qualität von „blueprints“, da damit die kontrollierte Technologie offengelegt und somit jedem zugänglich wäre. Mein Ziel ist es, den Kunden das Verständnis für Güterprüfungen näher zu bringen um somit in jeder Lage bestens vorbereitet zu sein.
Sind Sie auch versiert im Umgang mit Software zur Exportkontrolle?
Ich kenne mittlerweile sehr viele Softwarelösungen in der Anwendung, teils aus meiner eigenen Zeit im Anlagenbau, teils aus meiner Arbeit als Beraterin. In Unternehmen diskutieren wir oft verschiedene Lösungen und Probleme z.B. Was sollte eine Software können im Sinne von welche Sanktionslisten (die hinter der Software liegen) sind für den Kunden relevant oder wie wird das mittelbare Bereitstellungsverbot abgebildet. Die Verwendung von spezifischer Software, vor allem in größeren Betrieben, ist mittlerweile unentbehrlich.
Wie wichtig schätzen Sie die Sanktionslistenprüfung der Geschäftspartner?
Ganz wichtig. Da kommen Sie nicht daran vorbei. Wir haben Empfehlungen der unterschiedlichsten Behörden, wie man ein passendes Compliance System gestalten könnte und eine EDV-Lösung ist immer Teil der Empfehlung. Es gibt immer wieder Treffer auf Sanktionslisten im eigenen Kunden-, Lieferanten- oder Geschäftspartnerbereich. Dass etwa 2019 eine namhafte österreichische Bank vom OFAC abgestraft wurde für zum Teil „egregoius“ cases und einem settlement agreement mit einer Zahlung von USD 20,326,340 zugestimmt hat, zeigt die Dimension.
In welchen Branchen kommt das am häufigsten vor?
Das kann in jeder Branche vorkommen. Die Frage ist für mich eher: Wie organisiere ich im Unternehmen eine Trefferliste, sprich Hitliste? Mit welcher Wahrscheinlichkeit hat ein Geschäftspartner Ähnlichkeit mit einer sanktionierten Person oder einem gelisteten Unternehmen? Wie bewerte ich diesen Score und wie gehe ich dann mit diesem potentiellen Treffer um? Eine hilfreiche Richtlinie mitzugeben, an die sich die Mitarbeiter orientieren können, die Mitarbeiter informieren, einbinden, mitnehmen auf die Reise zur Compliance, das erspart dem Unternehmen viel Zeit und Geld.
Was empfehlen Sie bei einem tatsächlichen Sanktionslistentreffer?
Je nach zugrundeliegender Sanktionsliste (Norm) ist die Konsequenz einzuhalten (erhöhte Sorgfaltspflicht bis Bereitstellungsverbot). Ich empfehle frühzeitige und wiederholte Sanktionslistenprüfung. Frühzeitig meint möglichst vor Geschäftsanbahnung. Warum? Ein außenwirtschaftsrechtlich, verbotenes Geschäft ist nichtig, d.h. ich darf es nicht erfüllen. Habe ich bereits einen Kundenvertrag unterzeichnet, sitze ich zwischen zwei Sessel. Dem Kunden bin ich verpflichtet – möglicherweise mit Pönaleforderungen – das Außenwirtschaftsrecht erlaubt keine Vertragserfüllung.
Was sagt die österreichische Behörde zu einem Sanktionslistenverstoß?
Mit meinem Antrag auf Genehmigung gebe ich z.B. an, ob mein Geschäftspartner in der „Anti-Terror“-Verordnung gelistet ist. Wenn ich einen gelisteten Geschäftspartner angebe, werde ich keine Genehmigung erhalten und meine Glaubwürdigkeit als verantwortungsvoller Exporteur einbüßen (was sich wohl auf Folgeanträge auswirken wird). Mache ich falsche Angaben und „erschleiche“ mir eine Genehmigung, kennt das AußWG 2011 strafrechtliche, verwaltungsstrafrechtliche und finanzstrafrechtliche Konsequenzen. Wie mein Vergehen nach der Außenwirtschaftsprüfung gemäß österreichischem Recht beurteilt wird, entscheiden die Gerichte. Wie die U.S. Behörde in vergleichbaren Fällen reagiert, haben wir bei Ihrer Frage nach der Bedeutung der Sanktionslistenprüfung gesehen.
Wie empfehlen Sie Unternehmen, mit dem Sanktionslistenrisiko umzugehen?
Es ist Sache des Risikomanagements herauszufinden, wo Risiken liegen! Der Greißler um die Ecke wird wenig Sanktionslistenrisiko haben, weil die Befriedigung von Grundbedürfnissen in den meisten Fällen vom Bereitstellungsverbot ausgenommen ist. International stark vernetzte Unternehmen in globalen Lieferketten werden um eine Risikoanalyse nicht herumkommen. Habe ich Geschäftstätigkeiten z.B. in Iran, ist das Risiko eines Verstoßes etwa gegen das mittelbare Bereitstellungsverbot (eine gelistete Person steht hinter meinem nicht gelisteten Kunden) relativ hoch, insbesondere in sanktionierten Wirtschaftszweigen. In der Risikoanalyse fragt sich der Kunde etwa: was könnte ich erwirtschaften, wenn ich diesen Markt bediene vs. welche Konsequenzen hätte ein unbeabsichtigter Verstoß. Wenn die weitere Betrachtung lohnt, fragt man weiter: wie kann ich den unbeabsichtigten Verstoß vermeiden/absichern, etc.
Welche Themen sind in Ihren Seminaren und Workshops gerade sehr aktuell?
Der amerikanische Markt ist seit Trumps Präsidentschaft sehr unsicher geworden. Trump ist unberechenbar, interessensgetrieben und will in erster Linie die amerikanische Wirtschaft fördern. Verbündete und auch Europa stößt er dabei regelmäßig vor den Kopf, wie etwa mit den Sanktionen im Zusammenhang mit der Gaspipeline Nordstream 2. Es kommt immer wieder vor, dass unsere Unternehmen kundenseitig sehr lang vorausplanen. Sie verhandeln über einen langen Zeitraum Verträge aus und dann kommt eine neue Norm, die Geschäftsbeziehungen oder Technologie beschränkt. Die vielen US-Sanktionslisten, deren unterschiedlichen Konsequenzen, die „de-minimis“ Regel für U.S.-Güter (d.h. für Waren und Güter ab einem bestimmten kontrollierten US-Anteil an Waren, Technologie oder Software), die Güterklassifikation, die Compliance-Organisation, das alles sind Dauerbrenner.
Wie sehen Sie das als Expertin? Wohin wird sich die Exportkontrolle in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten hin entwickeln? Kommt in Zukunft etwas, worauf man sich vorbereiten muss?
Natürlich. Alles ist in Bewegung. Wir als Gesellschaft sind in einem Wandel. Das Umfeld verändert sich ständig. Beispielsweise die Rolle, die Trump spielt, wäre meines Erachtens vor Jahrzehnten nicht denkbar gewesen (etwa der einseitige Ausstieg aus dem Iran-Abkommen). Er spiegelt einen Teil des gesellschaftlichen Wandels wider. Auch auf europäischer Ebene hat sich in der Exportkontrolle viel getan – Normen, Leitlinien, Empfehlungen, Austausch auf Ebene der nationalen Behörden, Einbindung der Stakeholder. Österreich hätte sich lang nicht so engagiert, wenn nicht ein starker Wille seitens der EU da gewesen wäre. Insofern sind wir Teil der politischen Gestaltung. Und es gilt konkret, sich auf die in Vorbereitung befindliche neue Dual-Use Verordnung einzustellen.
Was sind Ihre Pläne für die nächsten drei Jahre?
Ich will die Beratung an sich professionalisieren. Mein Fokus liegt weniger in der Abarbeitung von Gesetzestexten, sondern in einer auf das Unternehmen und die Mitarbeiter abgestimmten lockeren und individuellen Aufbereitung. Es gibt mittlerweile sehr viele unterschiedliche und spannende Beratungskonzepte. Jeden Kunden erreicht man anders. Ein junges, technologiegetriebenes Unternehmen spricht auf andere Konzepte an als ein etabliertes Anlagenbauunternehmen, weil es andere Strukturen, ein anderes Selbstverständnis und eine andere Geschichte hat. Mich interessiert vor allem die Vielfalt an Unternehmen, Problemen und Herangehensweisen. Wie kann man Mitarbeiter abholen und Unternehmen so organisieren, dass sie ihre (Re)Export-Compliance bestmöglich leben.
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